Tibetische Gelehrte sehen einen hohen Nutzen darin, ein tiefgreifendes Wissen über den tibetischen Buddhimus hier im Westen zu lehren. Sie motivieren zu Durchhaltevermögen und Tatkraft für ein kontinuierliches Studium. Geshe Pema Samten rät gleichzeitig ausdrücklich, eine gewisse Entspanntheit an den Tag zu legen, um ein dauerhaftes Interesse zu fördern. Sie können nachfolgend die Stimmen von Geshe Pema Samten, Geshe Thubten Ngawang und Gehe Lobsang Palden nachlesen.
"Das Systematische Studium des Buddhismus im Tibetischen Zentrum basiert auf den Aussagen des Buddhas, die er in den Sutras gelehrt hat und die sich dann später entwickelt haben zu den philosophischen Lehrmeinungen des Buddhismus in der Kommentarliteratur der großen indischen Meister.
Manche mögen denken, dass Studium und Religion Gegensätze seien, dass es in der Religion nur darum gehe, blindes Vertrauen in Dogmen zu setzen. Im Buddhismus wird das ganz anders gesehen. Es gibt verschiedene Formen von Vertrauen. Eine intelligente Form des Vertrauens basiert auf Analyse und philosophischen Überlegungen. Dieses Vertrauen ist eindeutig stabiler, denn es beruht auf einem tieferen Verständnis. Wer studiert, muss nicht allein dem vertrauen, was andere sagen. Er kann die Zusammenhänge selbst beurteilen.
Ich rate den Studentinnen und Studenten, eine gewisse Entschlossenheit an den Tag zu legen und langfristig und kontinuierlich dabei zu bleiben. Auch ist es gut, mit der Motivation zu studieren, dass es auch für andere von Nutzen sein soll.
Wir werden feststellen, dass der Stoff nicht immer einfach ist. Manchmal könnten wir sogar an einen Punkt kommen, wo wir uns fragen, welchen Nutzen das Studium überhaupt hat. Dann braucht man eine starke heilsame Motivation, insbesondere Mitgefühl, den Wunsch, etwas für andere zu tun. Wenn dann Schwierigkeiten aufkommen, ertragen wir sie mit dieser weiten Perspektive.
Ich rate Ihnen auch, eine gewisse Entspanntheit an den Tag zu legen. Wir sollten uns zwar ernsthaft bemühen, den Stoff zu verstehen, aber wir müssen uns nicht verkrampfen, wenn etwas nicht so klar ist. Manchmal sind auch Pausen gut, um den Kopf wieder etwas frei zubekommen. So kann man langfristig sein Interesse am Studium bewahren und das, was man begonnen hat, zu Ende bringen."
Geshe Pema Samten ist ständiger Lehrer im Tibetischen Zentrum. Sie können hier auch einen kurzen Film mit Ihm zum Studium ansehen.
"Als wir 1987 den Plan gefasst haben, ein Systematisches Studium des Buddhismus anzubieten, habe ich nicht damit gerechnet, dass das Interesse so groß sein würde. Im Laufe der Zeit sind immer mehr Menschen hinzugekommen.
Die buddhistischen Studien sind nicht wie gewöhnliche weltliche Studien. Die Studiengebiete sind die des Inneren, des Geistes. Wir lernen hier Dinge, die uns selbst und anderen auf lange Sicht helfen werden. Daher möchte ich Sie bitten, beim Studieren auf Ihre Motivation zu achten. Wir studieren mit der Motivation, uns selbst, den eigenen Geist zu verändern.
Wir werden noch lernen, dass Nirvāṇa der echte Frieden ist. Es hängt vom Einzelnen selbst ab, den Frieden des Nirvāṇa im eigenen Geist zu verwirklichen. Der Buddha hat in einem Sutra — einer Lehrrede — gesagt:
Die Erwachten waschen die schlechten Taten nicht mit Wasser hinweg,
sie beseitigen das Leiden der Lebewesen nicht mit ihren Händen,
sie übertragen ihre eigenen Erkenntnisse nicht auf die anderen;[sondern] indem sie die Realität, die Wahrheit, zeigen, bewirken sie die Befreiung.
Wie aber entwickeln wir unseren Geist in Richtung Nirvāṇa? Dies geschieht durch Lernen, Nachdenken und Meditieren. Wir lernen und studieren in dem Bewusstsein, dass das hier vermittelte Wissen dazu dient, den eigenen Geist korrekt zu erkennen. Letztlich dient all dies dazu, dass wir uns weiterentwickeln, ausgeglichener und friedvoller werden und uns von Täuschung befreien. Das eigentliche Ziel ist, die Mittel zu erhalten, um den Geist von allen störenden, leidverursachenden Faktoren zu befreien und in einen friedlichen Zustand zu versetzen.
Die Sphäre des Geistigen ist weit und tief, entsprechend muss auch dessen Studium umfangreich sein. In Tibet dauerten die intensiven Geshe-Studien zwischen 15 und 25 Jahren. Unter den gegebenen Verhältnissen in Deutschland, neben der täglichen Arbeit, ist uns ein so intensives Studium nicht möglich. Deshalb habe ich die wesentlichen Punkte der buddhistischen Philosophie und Geistesschulung so zusammengefasst, dass wir sie gut in insgesamt sieben Jahren neben dem Beruf erlernen können.
Sie erhalten schriftliches Studienmaterial. Doch die Texte allein sind nicht das Wichtigste. Vielmehr kommt es hauptsächlich auf das Verständnis an, das wir durch die Beschäftigung im Unterricht und in Diskussionen mit anderen Studenten erwerben.
Ich möchte Sie als Teilnehmer ermutigen, sich zum einen möglichst intensiv mit dem schriftlichen Material zu beschäftigen, zum anderen aber auch persönlich an den Studienskreisen teilzunehmen, soweit Ihnen das möglich ist. Für Fernstudenten ist es hilfreich, sich mit anderen Studienkollegen zu treffen oder sich im Forum und in Internetseminaren über die Inhalte auszutauschen.
Wenn man die gegebenen Möglichkeiten wahrnimmt und versucht, die Zeit des Studiums möglichst intensiv zu nutzen, kann man die begründete Hoffnung haben, dass man ein genaues und fundiertes Verständnis der buddhistischen Lehre, der Natur des Bewusstseins, erlangt. Ich erachte es für wichtig, Europäer auszubilden, die dann ihrerseits die Lehre des Buddha fundiert und korrekt kennen und anderen vermitteln können."
Geshe Thubten Ngawang ist der Begründer des Systematischen Studiums des Buddhismus im Tibetischen Zentrum.
"In den tibetischen Klosteruniversitäten legen wir großen Wert auf das Studium, denn dieses dient der Bewahrung des Wissens und letztlich dem Bestand der buddhistischen Lehre insgesamt, auch für zukünftige Generationen.
Würde nicht so ausführlich studiert, ginge viel von dem Wissen verloren. Die Folge wäre, dass der Buddhismus nicht in dieser Tiefgründigkeit und Vollständigkeit weiterbestehen könnte. Und das würde sich unweigerlich auf Praxis und Meditation auswirken. Irgendwann gäbe es keine Menschen mehr, die das umfangreiche Wissen, das in den Schriften enthalten ist, kennen. Niemand würde die Inhalte noch verstehen, so dass der Dharma degeneriert. Wie sollte man den Dharma anwenden, wenn kein vollständiges Wissen vorhanden wäre?
Studium und Lernen der Schriften dienen natürlich der Praxis. So hat es Tsongkhapa, der Begründer der Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus, in seinem Leben vorgemacht: Er hat anfangs viel gelernt und intensiv über den Dharma nachgedacht. Dann hat er, wie er selbst sagte, alles als persönliche Anleitung betrachtet und intensiv meditiert.
Wer nur studiert und nicht praktiziert, kann keine Erfahrungen machen und auch keine Verwirklichungen erlangen. Wir haben in Sera-Jhe ein geregeltes Studium mit Klassen, Debatten, Prüfungen usw. Wer das Studium abgeschlossen hat, hat die Aufgabe, den Dharma einzuüben und zu praktzieren – neben seiner Lehrtätigkeit. Man muss dann seine Zeit gut einteilen in Lehre und Praxis.
Das Studium soll die Praxis fördern. Wenn man das richtig versteht, ist das tiefe Verständnis des Dharma eine wichtige Grundlage für die Meditation, das Lernen macht die Praxis effektiver. Diese Anweisung ist in der tibetischen Tradition stark vertreten."
Geshe Lobsang Palden war ehemals Abt der Klosteruniversität Sera-Jhe, Südindien, und ehem. Gastlehrer im Tibetischen Zentrum.