Editorial von Birgit Stratmann
Liebe Leserinnen und Leser,
am 10. März 2009 begingen die Tibeter den 50. Jahrestag des Volksaufstands gegen die chinesische Besatzung und der Flucht S.H. des Dalai Lama aus Tibet. Von Unruhen ist dieses Jahr nichts bekannt geworden. Schon im Januar hatte die chinesische Regierung ihre Kampagne „Hartes Durchgreifen“ wiederaufgenommen und die Militärpräsenz drastisch erhöht. Die Region ist für Ausländer gesperrt, Journalisten dürfen nach wie vor nicht einreisen, und Soldaten haben um die wichtigsten Klöster Stellung bezogen. Ein Schwerpunkt in diesem Heft ist dem 50. Jahrestag gewidmet.
Der in Deutschland lebende Arzt Tashe Thaktsang berichtet in seinem Artikel, wie er als achtjähriger Junge die Flucht aus Tibet erlebt hat und was ihn heute antreibt, sich nach 50 Jahren im Exil für seine Heimat einzusetzen.
Der Publizist Klemens Ludwig beschäftigt sich in seinem Bericht mit dem Widerstand der Tibeter in den 50er Jahren, der sich in der Bewegung Chushi Gangdruk formierte. Die Männer kämpften mit Waffen gegen die Besatzer und geleiteten 1959 S.H. den Dalai Lama ins Exil. Ludwig besuchte einige alte Widerstandskämpfer in Indien und befragte sie über ihre Erlebnisse und Motive.
Der zweite Schwerpunkt in dieser Ausgabe ist dem Thema Beziehungen und Freundschaft gewidmet. Wir sind als Menschen Beziehungswesen – und zwar von Anfang an. Wer keine Liebe und Resonanz erfährt, kann sich als Mensch nicht entwickeln. Erst in Bezogenheit zu anderen werden wir zu dem, was wir sind.
Volker Junge hat Aussagen des Buddha zum Thema Freundschaft zusammengefasst: Was sind gute Freunde, welche Rolle spielen Freunde für die spirituelle Entwicklung. Lesen Sie die inspirierenden Texte.
Von Partnerschaften ist in buddhistischen Schriften kaum die Rede, außer dass sie als Hindernisse für die Befreiung gelten. Es herrscht das Ideal des asketischen Lebens vor. Im Westen sind es aber vor allem Laien, die den Buddhismus praktizieren. Daher müssen wir uns fragen, wie wir Beziehungen und buddhistische Praxis miteinander vereinen. Wir haben letztes Jahr einen Anfang mit dem Thema Sexualität und Buddhismus (Heft 2/2008) gemacht und wenden uns nun dem Thema Beziehungen zu.
Die Psychotherapeutin und langjährige Buddhistin Eva-Maria Koch untersucht in ihrem Artikel, was Beziehungen so störanfällig macht. Dabei stimmen ihre Beobachtungen mit den Einsichten des Buddha überein: Falsche Vorstellungen und Projektionen sind das größte Gift für die Liebe. Hinzu kommen die Angst vor Veränderung und die Tendenz, Konflikten auszuweichen, statt daran zu wachsen. Was lässt Liebe gedeihen? Auch darauf gibt der Artikel Antworten aus der psychotherapeutischen Arbeit und der buddhistischen Praxis.
Der tibetische Meister Ringu Tulku schildert im Interview mit Andrea Liebers, worauf es in Freundschaften besonders ankommt. Dabei trennt er nicht zwischen Freundschaften und Beziehungen, denn es geht immer um das Gleiche: Anteil zu nehmen am anderen, ihn zu unterstützen und zu begleiten.
Themen: 50 Jahre tibetischer Volksaufstand und Flucht aus Tibet/ Freundschaft und Beziehungen