Editorial von Birgit Stratmann
Liebe Leserinnen und Leser,
unser verehrter Lehrer, Geshe Thubten Ngawang, verstarb am 11. Januar 2003. Aus diesem Anlass widmen wir diese Ausgabe seinem Leben, seinem Werk und auch seiner Krankheit und seinem Sterben. Denn mit der Art und Weise, wie er seine letzten Wochen durchlebte, gab Geshela seine wohl kraftvollsten Belehrungen.
Sprechen konnte er nur noch mit großer Anstrengung, weil sein Körper so geschwächt war. Aber er war bis zu seinem letzten Atemzug Meister seines Geistes. Er verstarb bei klarem Bewusstsein, nachdem er seine Morgengebete und ein tantrisches Ritual zur Bereinigung beendet hatte. Lesen Sie die bewegenden Reportagen „Die letzten Tage mit Geshe Thubten Ngawang“, verfasst von seinen Betreuern und Ärzten.
Geboren während einer Pilgereise seiner Mutter zum heiligen Berg Kailash, verstorben im Meditationshaus Semkye Ling, das Geshe-la einmal einen Pilgerort nannte, weil große Meister wie der Dalai Lama dort übernachtet und meditiert hatten; Christine Rackuff hat die wichtigsten Stationen in dem erfüllten Dharma-Leben Geshe Thubten Ngawangs zusammengestellt: „Das Leben eines großen tibetischen Meisters“. Besonders eindrucksvoll ist, wie Geshe-la widrige Lebensumstände für die Dharma- Praxis nutzte.
„Den Fluss des Leidens überqueren“ ist eine Unterweisung Geshe-las, in der er den Dharma besonders kompakt und eindringlich zusammengefasst hat. Seine Botschaft kommt hier klar zum Ausdruck: „Es liegt in unserer Verantwortung, uns selbst aus dem Leiden zu befreien. Es gibt niemanden, der den Weg zur Befreiung für uns gehen oder uns an dieses Ziel bringen könnte. Wir müssen uns selbst bemühen und die rechten Mittel anwenden, die zur Aufhebung des Leidens führen.“
Ende September 2002 hatte ich ein längeres Interview mit Geshe-la zum Thema „Perspektiven für das Tibetische Zentrum“ geführt. Der erste Teil mit dem Schwerpunkt Meditationshaus erschien im letzten Heft. Lesen Sie jetzt den zweiten Teil, in dem Geshe-la sich zur Entwicklung in Hamburg äußert.
Am 3. Januar 2003 traf auf Einladung von Geshe Thubten Ngawang mit Geshe Pema Samten ein weiterer Lehrer im Tibetischen Zentrum ein. Geshe Pema Samten (geboren 1957 in Tibet) erhielt seine Ausbildung zum Geshe-Lharampa im indischen Kloster Sera, absolvierte ein Jahr im Tantra-Kolleg und ging danach für drei Jahre zurück nach Tibet. Dort war er Abt des Dargye-Klosters, in dem Geshe Thubten Ngawang als junger Mönch gelebt hatte. Brita Janssen stellt Geshe Pema Samten vor: „Vom aufbrausenden Bauernjungen zum gelehrten Lama“.
In seiner Weitsicht hat Geshela gut für das Tibetische Zentrum gesorgt. Er selbst beurteilte kurz vor seinem Tod die Lage des Tibetischen Zentrums mit den beiden Lehrern Geshe Ngawang Sonam und Geshe Pema Samten sowie den Studien- und Meditationsmöglichkeiten als zufriedenstellend und sagte, dass er selbst alle wichtigen Unterweisungen gegeben habe. Nun ist die Zeit gekommen, diese zu praktizieren, damit die Wünsche und Zielsetzungen Geshelas erfüllt werden.
Schwerpunkt-Thema: Das Leben & Werk von Geshe Thubten Ngawang